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Ostermontag - Predigt in 3 Teilen zu 3 Lesungen
Drei Kurzpredigten am Ostermontag, 21.4.2025
Alttestamentliche Lesung: Jesaja 25,6-9
Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist. Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind. Er wird den Tod verschlingen auf ewig.
Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat's gesagt. Zu der Zeit wird man sagen: »Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.«
Predigt I
Der Herr Zebaoth wird ein Mahl zubereiten
Karfreitag war die Stunde des Bösen. Da war der böse Feind am Zug. Der Vater der Lüge und der Finsternis und der unbarmherzigen Grausamkeit. Weil Gott ihn seinen bösen Zug hat machen lassen.
Auf dem Berg Golgatha, der Schädelstätte. Wo alle es mitbekamen, die nach Jerusalem hineinkamen oder aus der Stadt heraus. Wo man das Kreuz, den Marterpfahl, weithin sehen konnte. Da hat der Feind sein wahres Gesicht gezeigt.
Seit gestern aber ist Ostern. Gott ist in Kontrolle. Auf der ganzen Linie. Der Vater des Lichts und der Wahrheit, der Vater der Barmherzigkeit. So, wie ihn der Prophet Jesaja seinen Zeitgenossen gepredigt hat.
Gott macht ein fettes Mahl. Das klingt nicht nach kalorienbewusstem Essen. Aber wenn wir’s mit den Ohren unserer jüdischen oder christlichen Brüder in Äthiopien oder Nordkorea hören, wird uns klar: Gutes Fleisch ist Fleisch mit ordentlich Fett. Gott kündigt ein Festmahl an! Davon sollen alle satt werden. Menschen aus allen Völkern. Keiner soll hungrig aufstehen, keiner mehr Mangel haben.
Er wird ein Mahl zubereiten auf einem Berg
Bei dem Berg aber denke ich zuerst an den Tempelberg in Jerusalem. Wenn jemand ein Tier als Sündopfer brachte oder als Lob- und Dankopfer, wurde es im Tempelhof geschlachtet. Ein kleiner Teil, vor allem die Innereien, wurde verbrannt. Einen bestimmten Teil bekamen die Priester. Davon lebten sie. Den Rest aber bekam der, der das Opfer brachte, und aß es in der Familie oder Gemeinde. Das war ein fröhlicher Anlass. Und an so einem Tag gab’s für niemanden Mangel, der dazu eingeladen war.
Und ich denke an den Hügel Golgatha. Für uns Christen ist er zum Berg des Heils geworden. Im heiligen Mahl am Altar stillt Gott unseren Hunger nach Vergebung und Leben. Da füllt er allen Mangel an Gerechtigkeit, an Liebe und Glauben in uns auf.
Menschen aus allen Völkern sind eingeladen
So steht’s hier bei Jesaja, und sagt’s Jesus in seinem Missionsauftrag an seine Jünger. Geht hin in alle Welt, macht sie zu Jüngern und lehrt sie halten alles, was ich euch aufgetragen habe. Auch dieses: Kommt, esst und trinkt meinen Leib und Blut, für euch auf Golgatha gegeben zur Vergebung der Sünden.
Deshalb gehört zu dem Mahl, das der Prophet auf dem Berg sieht, auch Wein, richtig guter Wein. Das Getränk zum Feiern, wenn die neue Ernte eingebracht wurde. Das Getränk der ewigen Freude beim himmlischen Hochzeitsmahl. So nimmt Jesus gerade Wein für das heilige Sakrament in seinem Testament.
Und er wird den Schleier von ihren Augen nehmen
Ich denke an eine ganz normale Augenkrankheit, den Grünen Star, bei dem es zu einem „Schleiersehen“ kommt. In leichteren Fällen helfen Tropfen, sonst muss operiert werden. Das Aufwachen aus der Narkose ist für mich wie ein Bild für das, was der Prophet hier beschreibt: Gott wird den Schleier von den Augen der Heiden nehmen. Paulus fiel es wie Schuppen von den Augen, nachdem Christus ihn bekehrt hatte und er drei Tage blind gewesen war. Da erkannte er, was er in Gottes Wort so oft gelesen und doch nicht begriffen hatte: Gott kommt in unser Fleisch. Gott selbst macht sich zum Knecht, um uns von unserer Sünde reinzumachen. Wir werden gerecht nicht durch das, was wir tun, sondern durch Gottes Sohn, der für uns das ganze Gesetz hält bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz.
Und Gott wird die Tränen abwischen von ihren Angesichtern
Da sind wir beim Osterabend. Unterwegs mit zweien aus dem kleinen Kreis derer, die an Jesus geglaubt haben, unterwegs nach Emmaus.
„Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen –“
das kleine Volk derer, die an ihn glauben, wird zur weltweiten christlichen Kirche werden. Die entmutigten Jünger, die die Schmach fast körperlich gefühlt hatten, zu dem verurteilten Gotteslästerer zu gehören, gehen mit der Botschaft seines Sieges über Tod und Teufel in die Welt.
Zu der Zeit wird man sagen: »Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.«
Damit, liebe Gemeinde, sind wir schon fast in Emmaus. Dahin kommen wir gleich.
Evangelium: Lukas 24,13-35 (Emmaus-Jünger)
Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten. Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs?
Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist? Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk; wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist. Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe. Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden's so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.
Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war. Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen. Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.
Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren; die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach.
Glaubensbekenntnis
Predigt II
Worüber Christen reden, wenn sie ohne Christus unterwegs sind
Aus der kleinen Gruppe derer, die an Jesus geglaubt haben, sind zwei am Sonntagabend unterwegs nach Emmaus. Ein Ehepaar? Vater und Sohn? Wir erfahren es nicht. Vielleicht wohnten sie in dem kleinen Dorf? Vielleicht hielt sie nichts mehr in Jerusalem, weil der, an den sie ihre Existenz gehängt hatten, tot war? Was nützten jetzt noch die gemeinsamen Gebete und die Lesungen aus der heiligen Schrift?
Und worüber soll man noch reden, wenn Jesus Vergangenheit ist? Das fragt Jesus sie, als er unerkannt zu ihnen stößt und sich ihnen anschließt. Ja, sie reden von dem, was in Jerusalem passiert ist. In der Vergangenheit. Für die Gegenwart hat das keine Bedeutung mehr. Außer der, dass alles vorbei ist.
Sie reden wie Christen ohne Christus. Wie eine Kirche, in der der Auferstandene nicht mehr vorkommt.
Oder doch nicht ganz?
Man kann über die Auferstehung erschrecken
Da sind wir den beiden wohl nicht ganz gerecht geworden. Es ist ja nicht so, als ob sie keinen Glauben hätten. Sie haben Jesus ja vertraut. Sie haben ja geglaubt, dass er der ist, der Gottes Volks, Israel, erlösen würde von allen Sünden. Sie waren ja in der Gemeinde und haben die Zeugen gehört; die Frauen, die das leere Grab gesehen haben, die ihnen gesagt haben, was sie von den Engeln gehört haben: Jesus lebt. Daraufhin sind ja einige von ihnen selbst hingelaufen und haben das leere Grab gesehen. Nicht so, als ob Grabräuber oder Leichenschänder da gewesen wären, sondern mit der langen Stoffbahn ordentlich zusammengelegt wie sonst in der Wäschetruhe, und dem Tuch, das sie Jesus um den Kopf gewickelt hatten, dabei.
Aber ihn sahen sie nicht. Das ist erschreckend: nicht zu wissen, was mit Jesus passiert ist. Im Glauben sich daran erinnern, dass Jesus den jungen Mann aus Naïn vom Tod lebendig gemacht hat, und Lazarus, den Bruder von Martha und Maria. Mit dem Verstand wissen, dass das nicht sein kann. Und sie sind Realisten genug. Sie haben genug Kindersterblichkeit erlebt, genug Junge und Alte, die nach einer Verletzung, nach einer Krankheit gestorben sind.
Zu hören, dass er nicht mehr im Grab ist, und nicht wissen, was das bedeutet, das ist erschreckend. Sie haben ja doch geglaubt. Und es kann ihnen nicht egal sein. Jetzt nicht mehr, nachdem sie das von den Frauen gehört haben.
Wo Christen Christus finden
Da geht er mit ihnen, und sie erkennen ihn nicht. Sie halten ihn für einen, der die gleiche Richtung hat wie sie. Und wer weiß, vielleicht ist schon jemand aus Jerusalem hinter ihnen her, den Jüngern des Jesus, den sie hingerichtet haben. Es ist besser, wenn sie nicht allein unterwegs sind.
Er aber legt ihnen die heilige Schrift aus. Wenn Jesus der versprochene Retter ist, der Christus, dann musste er doch leiden. So steht’s beim Propheten Jesaja und an vielen anderen Stellen:
„Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. [...] Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird [...] Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war.“ (Jesaja 53,4-7+9)
Da zeigt er ihnen ihren Christus, sich selbst, in dem Leiden, von dem sie gerade so hoffnungslos geredet haben. Er zeigt ihnen: das war der Wille Gottes. Für euch. Und sie kramen in ihrem Glauben und finden denselben Satz in dem, was sie von Jesus gehört haben:
„Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.“
Und nach 3 Tagen auferstehen: heute! Und der Prophet hat’s Jahrhunderte vorher schon geschrieben: „Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben.“ (V 10) So oft haben sie diese Bibelstelle gehört und nicht begriffen. Jetzt legt Christus selbst es ihnen aus, und es wird ihnen ganz klar.
Der Glaube und das Gefühl
Ihn aber haben sie noch nicht erkannt. Er ist körperlich auferstanden, und doch irgendwie anders. Mit einem neuen Körper. Und geht’s nicht auch uns so, dass wir’s nicht immer erkennen, wo er unter uns ist? Dass wir mit anderem beschäftigt sind oder mit uns selbst?
Aber sie haben es im Gefühl, dass sie ihn nicht weggehen lassen wollen. „Brannte nicht unser Herz?“ werden sie sich gleich fragen. Sie drängen ihn, die Nacht bei ihnen im Haus zu bleiben, wollen ihm Gastfreundschaft erweisen. Dieser Mann, der ihnen in einer oder zwei Stunden fast ans Herz gewachsen ist, so, wie er ihnen die Schrift erklärt, der soll in dieser Nacht nicht ohne Obdach sein.
Der Herr ist auferstanden!
Da nimmt er bei Tisch das Brot, spricht das Dankgebet zu seinem himmlischen Vater und ihrem Vater, und bricht es, um es ihnen zu reichen. So als ob er nicht Gast, sondern Gastgeber ist, ja, der Herr im Haus. So hat er’s immer wieder getan für die, die sich zu ihm gehalten haben. Da erkennen sie: Es ist der Herr!
Jetzt hält sie nichts mehr. Sie müssen zurück, die anderen müssen es doch hören: Er ist lebendig.
Kein Gedanke daran, dass sie ihn in Emmaus zurücklassen und wieder ohne ihn unterwegs wären. Nein, sie lassen ihn ja nicht zurück. Der Auferstandene ist in ihrer Mitte.
Und in der Mitte der anderen, die sie schon mit derselben Botschaft empfangen. Ja, was ihr eigenes Bekenntnis ist in ihrem neu gewordenen Glauben, das kommt ihnen als Bekenntnis aus der Gemeinde entgegen:
Der Herr ist auferstanden,
(Gem.:) er ist wahrhaftig auferstanden! Amen.
Predigtschluss: 1. Korinther 15,12-20
Wir hören zum Schluss einen Abschnitt aus einem Gemeindebrief an eine Ostergemeinde – jede christliche Gemeinde ist ja Oster-Gemeinde. Von Ostern kommt sie her, und zu seinem eigenen Ostern ist jeder in ihr unterwegs. Hört die Epistellesung zum Ostermontag im 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth im 15. Kapitel:
Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.
Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.
(Daniel Schmidt, P.)
Ostersonntag - Predigt zu Johannes 20,11-18
Ostersonntag - Predigt zu Johannes 20,11-18
11Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab 12und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. 13Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 14Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. 15Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen. 16Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! 17Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. 18Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.[1]
Liebe Brüder und Schwestern in unserem auferstandenen Herrn,
Ostern ist ein Fest zum Jubeln, zur kräftigen Freude. Und wir haben es gut, dass wir hier Orgel und Bläser Singchöre haben, die uns die Auferstehung Jesu verkündigen und uns so kräftig ins Jubeln hineinholen.
Aber der Glaube der Kirche an die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ist ja nichts, wenn es nicht der Glaube des einzelnen Christen ist. Und so einen einzelnen Menschen, haben wir hier vor uns im Johannesevangelium in einem sehr persönlichen, zarten Bericht, in dem noch nicht zum Osterjubel geblasen wird, in dem der sozusagen erst noch komponiert wird, sanft in ein Herz hinein, und doch mit großer Kraft.
Maria von Magdala ist früh am Morgen zum Grab gelaufen. Als sie dort ankommt, überfällt sie die ganze Trauer. Der Stein ist weggerollt, da ist das dunkle Loch, da haben sie ihren Herrn, Jesus, auf die Steinbank an der Seite der Höhle gelegt. Da drin ist es dunkel.
Dunkel wie in ihr. Die Tränen kommen, dann ein Schluchzen, leise, verhalten, als ob sie gar keine Kraft hat zu lautstarker Trauer. Es ändert ja auch nichts und es hört ja auch keiner. Sie fröstelt. Nicht nur weil es am Morgen noch kühl ist. Sie fröstelt auch vor dem, was da im dunklen Grab ist. Sie zieht den Umhang eng um ihre Schultern. Wie die Jünger hat sie zwei Tage fast nicht geschlafen. Aber zum Grab musste sie kommen, sobald der Sabbath vorbei war und sobald sie den Weg erkennen konnte im ersten Dämmerlicht.
Jetzt richtet sie sich auf, aber sie muss sich an die Felswand lehnen.[2] So hat sie der Künstler Harold Copping hier im Bild festgehalten. Wenn ich mir das ansehe, fallen mir als erstes ihre Arme aus. Nach vorne gestreckt, als ob sie Halt sucht. Oder als ob sie sich mit ausgestreckten Armen in das dunkle Grab hineintasten will, die Stufe hinunter und über die Rinne im Fels, in der der Türstein gerollt wird? Es kommt mir so vor, als ob etwas sie festhält in ihrer Bewegung. Oder als ob sie sich an sich selbst festhält, weil sie keinen anderen Halt mehr hat.
Dazu passt ihre Haltung. Ihr ganzes Gewicht ruht auf der Felswand. Die wenigstens steht fest, wo alles andere zusammengebrochen ist. Aber dann geht mein Blick hinunter zu der dunklen Öffnung, und mit fällt ein: dieser Fels ist das Grab. Das hält sie fest.
Noch einmal geht mein Blick zu ihren Händen. Die Finger sind verschränkt, so wie viele von uns es beim Beten gewohnt sind. Betet sie? Und wenn sie betet, was betet sie? “Herr, erbarme dich?” Aber der, den sie zu Lebzeiten als Herrn angeredet hat, ist tot. Wie soll er sich noch über sie erbarmen? Und ist damit für sie nicht eigentlich auch der gestorben, den sie von klein auf als Herrn angeredet hat, die erste Person der Dreieinigkeit, zu dem sie Vater zu sagen gelernt hat durch Jesus? Wenn er seinen Sohn nicht gerettet hat, wie wird er sie jetzt noch retten?
Jetzt kommt mir der Gedanke, dass sie sich ja mit den Händen nicht an der Wand des Grabes abstützt. Sie streckt sie ja nach vorne, als ob sie irgendwo vor sich Halt sucht. Und ich denke daran, wie der Herr versprochen hat, uns mit aussprechlichen Seufzern zu vertreten, wenn wir keine Worte zum Beten haben. Hält er vielleicht doch auch in diesem Moment ihre betenden Hände?
Weiter nach oben geht mein Blick, zu ihrem Gesicht. Die Augen sind geschlossen wie in großer Müdigkeit. Inzwischen ist die Dämmerung dem Morgen gewichen, aber sie sieht es nicht. Vor ihren Augen ist weiterhin Dunkelheit. Sammelt sie sich einen Moment? Schenkt ihr Gott einen Moment der Ruhe, bevor sie sich in das Grab hineinbeugt, in den Ort, der dem Tod gehört?
Jetzt gehen wohl ihre Augen auf, sie beugt sich vor, blinzelt in die Dunkelheit. Aber es ist nicht dunkel im Grab. Von beiden Seiten der Todesbank geht ein Licht aus. Von zwei Männern, die da sitzen, in leuchtendes Weiß gekleidet, wie sie es noch nie gesehen hat, wie von einem Stoff, den sich selbst die Reichsten nicht kaufen können. Wieder blinzelt sie durch den Tränenschleier hindurch, als einer von ihnen sie fragt: Warum weinst du? Jetzt sieht sie, dass der Platz zwischen ihnen leer ist außer einem ordentlich zusammengelegten, langen Tuch. Irgendjemand hat die Leiche ihres Herrn weggenommen. Nicht einmal das ist ihr geblieben, dass sie hier richtig um ihn trauern kann. “Ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben, sagt sie”, wie ein Frage an die beiden Männer, eine leise, verzweifelte Bitte wenigstens um diese Auskunft. Dabei dreht sie sich um, guckt selbst, ob rechts und links vor dem Eingang etwas zu sehen ist.
Da sieht sie jemanden stehen.[3] Gegen das Licht kann sie ihn nicht richtig erkennen. Aber das wird wohl der Gärtner sein, der rund um die Grabhöhlen für Ordnung sorgt, die Eingänge und die Wege freihält. Vielleicht hat er Jesus weggenommen, aus irgendeinem Grund. Vielleicht ist erst noch irgendetwas am Grab zu machen, die Beerdigung war ja auch ohne alle Vorbereitung am Freitag geschehen.
Da spricht der Mann sie an: Was weinst du? Und noch einmal sagt sie, dass sie ihren Jesus sucht, sie will ihn zurückholen in die Totenruhe. Und wir merken: Maria hängt fest in dem, was vergangen ist. Davon kommt sie nicht los.
Da hört sie, wie der Mann ihren Namen sagt: Maria! Die Stimme kennt sie. Das ist ihr Herr! Wie oft hat er sie so angesprochen, wenn er ihr persönlich etwas vom Glauben erklärt hat, wenn er ihr für etwas gedankt hat, wenn sie sich Rat bei ihm geholt hat.
Jetzt weiß sie: er ist es. “Rabbuni”, sagt sie, ohne zu überlegen, so wie sie oft auf ihren Namen reagiert hat. Wörtlich heißt das, “mein Lehrer”. Das ist die österliche Wende, der erste große Akkord der Osterfreude in ihrem Herzen. Ihr Lehrer ist nicht weg. Er ist da.
Vorhin ist mir Marias linker Fuß aufgefallen. Mit den Zehen auf dem Boden, die Ferse in der Luft. Und ich habe überlegt, ob sie gerade am Grab ankommt noch halb im Laufen. Oder gerade am Aufstehen ist und sich mit dem Fuß vom Boden hochdrückt. Jetzt überlege ich, ob das der Moment ist, wo sie sich zu Jesus umdreht. Raus aus ihrer erstarrten Haltung. Dann würde sie sich auch von der Felswand weg bewegen, sich nicht mehr anlehnen. Und – ja, und ihre Hände nach ihm ausstrecken. Ich stelle mir vor, wie sich ihre Finger lösen. Ihr unaussprechliches Seufzen ist ja erhört. Und sie breitet die Arme aus, um sich in seine Arme fallen zu lassen. So wie sie es wohl schon manchmal getan hat.
Oder will sie ihn festhalten, wie jemanden, der sich verlaufen hatte, und den man nach langem Suchen und immer größerer Verzweiflung zurückbekommen hat? “Berühre mich nicht”, sagt Jesus. Ganz anders, als er es eine Woche später zu dem Apostel Thomas sagen wird, der an seiner Auferstehung gezweifelt hatte. Den lädt Jesus ein, seine Wundmale zu fühlen. Warum er mit beiden so verschieden umgeht? Das erfahren wir nicht. Vielleicht ist das eine gut für Maria und das andere für Thomas. Und mit dir und mir geht er auch so um, wie es für uns gut ist, gerade wenn wir zweifeln.
Und doch scheint es mir, wenn ich den linken Arm sehe, den Jesus hebt, wo der Ärmel zurückrutscht, dass da am Handgelenk die Nagelwunde zu sehen ist. Auch Maria soll Gewissheit haben, dass er derselbe ist, der sein Leben für sie gegeben hat. Und dass er lebt.
Oder will sie ihn so festhalten, wie er für sie in der Vergangenheit war? Dann sagt er ihr damit: So wird es nicht mehr sein. Du wirst nicht mehr mit mir mit laufen durch Galiläa und Judäa; für mich kochen oder einen Riss in meiner Kleidung flicken. Deswegen spricht er von seiner Himmelfahrt, davon, dass er zu seinem Vater gehen wird. Damit hilft er ihrem Zweifel ein zweites Mal. Er öffnet ihren Blick weit über die ganze Welt, die der Vater durch den Sohn gemacht hat.
Jetzt merke ich: Jesus weiß, warum er ihre Berührung nicht zulässt. Sie braucht das nicht, die körperliche Berührung. Mit seinem Wort gibt er ihr auch den Heiligen Geist zum Glauben. Sie braucht nur seine Stimme und das Nägelmal. Sie muss den Auferstandenen nur erkennen. Das genügt. Und erkennen können wir ihn auch im Glauben. An seinem Wort. Und in den Berichten von den Augen- und Ohrenzeugen im Neuen Testament.
Ja, als Maria ihn erkennt, ist sie bereit, Auferstehungszeuge zu sein für die anderen. Nun weitet sich ihr Blick noch einmal vom Sohn und vom Vater auf die ganze Kirche, auch wenn die bis dahin noch überschaubar und zählbar ist.
Denn jetzt hat der Heilige Geist das Osterlied in ihrem Herzen fertig komponiert. Den Refrain hat sie kräftig im Ohr: Jesus lebt. Und ich lebe mit ihm! Das kann sie nicht für sich behalten. Das müssen die anderen erfahren, die ganze Trauergemeinde. Ach nein, nicht mehr Trauergemeinde, sondern Ostergemeinde.
Und dahin schickt Jesus sie. Zuerst zu den Aposteln:
“Geh aber hin zu meinen Brüdern”, sagt er, “und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.”
Den Aposteln hat er ja schon gesagt, “wer euch hört, der hört mich”. Auch die Vollmacht zur Sündenvergebung haben sie schon. Jetzt ist der Auslöser dazu gekommen für jeden von ihnen und für alle Nachfolger, die sie in dieses Amt einsetzen werden: Jesus Christus, der Gekreuzigte, ist vom Tod auferstanden. Unser Tod ist besiegt: Tatsache! Unser Grab wird leer sein, wenn er wiederkommt. Und wir werden ihn in seiner Herrlichkeit sehen. Dann braucht uns niemand mehr zu erklären, dass er auferstanden ist oder wie. Dann werden wir selbst sehen, was wir jetzt durch sein Wort glauben, mit Maria und allen, die auch für uns zu Zeugen davon geworden sind.
So kann sich Maria von Magdala lösen vom Grab, so kann sie den Herrn dort stehen lassen und sich zurückwenden hin zu denen, die sie – ach wie lange ist das her, vielleicht vor einer Stunde – zurückgelassen hat in ihrer Trauer. Ihr Herr ist ja bei ihr. Er leibt und lebt. Auf eine ganz neue Weise.
Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.
Was Maria Magdalena am Ostermorgen geschehen ist, das ist von der Art, dass es im Namen Jesu immer weitergesagt werden muss. Es ist die österliche Liebeserklärung des lebendigen Gottes an die Welt. Damit die Schar der Geschwister Jesu immer größer wird! Durch die Augen- und Ohrenzeugen, auf deren Berichten unser Glaube ruht, liebe Ostergemeinde, und auf der felsenfesten apostolischen Botschaft. Amen.
(Daniel Schmidt, P.)
[1] Bildquellen: https://mudpreacher.org/wp-content/uploads/2013/03/mary-weeping-outside-tomb.jpg?; https://scontent-fra5-2.xx.fbcdn.net/v/t1.6435-9/93140467_3040489982637943_8697838077579624448_n.jpg?_nc_cat=106&ccb=1-7&_nc_sid=833d8c&_nc_ohc=ir6J9CkAbmMQ7kNvwEau3Ns&_nc_oc=AdkWJn5FumFSMPHWALoRTkc45JN7chlkll-7ifZdLyWbJJA_1isFTUMyY_lUwkFDt9YbtCjZyysnEPhWbP9ccsKK&_nc_zt=23&_nc_ht=scontent-fra5-2.xx&_nc_gid=UH7pBPECDqygJjaftaihBQ&oh=00_AfESRstDCYXITtY1RzBUJ9rUiRAcKxuNjGXSSUzGVz5LpQ&oe=6825BF7E
Predigt am Gründonnerstag, 17.4.2025
Liebe Gründonnerstagsgemeinde,
Jesus stand vor Pilatus. Als Angeklagter. Immer mehr Menschen kamen in den Hof, um zu sehen und zu hören, was da vorging. Eigentlich ganz ähnlich wie in den letzten drei Jahren immer wieder, wenn Jesus in einem Haus war, und alle wollten dabeisein.
Und doch ganz anders. Ihm wurde der Prozess gemacht. Das war der Grund für die Aufregung. Wegen des Passahfestes war ja sowieso schon viel los in Jerusalem. Und nun auch noch das. Die Hohenpriester waren da, die angesehenen Männer. Das waren die, die den Ton angeben. Wenn ich diesen Bibeltext lese, frage ich mich, wie es wohl gewesen sein muss in dieser Menge. Ich stelle mir vor, dass ich da mittendrin gestanden hätte. Wie hätte ich mich gefühlt? Was hätte ich getan?
Bin ich wie Petrus, der sich hinterhergeschlichen hat in den Hof des Hohenpriesters, als Jesus festgenommen wurde; der einfach erfahren musste, was sie mit ihm tun würden? Der dann vor Angst sein Jüngersein aufgegeben und behauptet hat, er kennt Jesus gar nicht?
Bin ich wie die, die zufällig in den Hof des Pilatus mit hineingeraten sind, weil sie für ihn oder seine Soldaten etwas zu tun hatten, oder gerade vorbeigingen? Denen es eigentlich egal sein kann, was aus diesem Angeklagten wird? Oder bin ich womöglich einer aus dem Hohen Rat, der sich bewusst entschieden hat, dass Jesus weg muss? Das kann ich mir kaum vorstellen. Aber ich weiß, dass die Sünde in mir Dinge mit mir macht, die ich mir kaum vorstellen kann. – Oder bin ich einfach irgendwo dazwischen?
Die Stimmung ist aufgeheizt. Plötzlich ruft einer: “Gib uns Barabbas!” Es wird lauter. Die Leute reden durcheinander. Was würde ich tun? Rufe ich mit? Plötzlich ruft einer: “Kreuzige ihn!”
Rufe ich mit? Auf einmal höre ich meine eigene Stimme: “Gib uns Barabbas!“ Ich erschrecke. Es ist mein Neid – der Teil in mir, der dem anderen nicht das Gute gönnt, was er hat. Nochmal höre ich meine Stimme: ”Kreuzige ihn!” Ich erschrecke wieder. Das kann doch nicht sein, niemals würde ich so etwas rufen. Niemals! Es ist mein Hochmut – der Teil in mir, der sich über andere erhebt. Es ist der Teil, der selbst Gott sein will.
Da denke ich als Bibelleser an das, was ich im Ohr habe vom Abend vorher, vom Gründonnerstag. Das, was Paulus den Christen in Korinth geschrieben hat: „Ich habe es vom Herrn selbst, von Christus empfangen, was ich euch weitergegeben habe“, in seinem Taufunterricht, in der Christenlehre. Im Brief an sie hat er’s nochmal aufgeschrieben, um es festzuhalten:
„Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach’s und sprach: das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.“
Und ich denke: So wie Jesus da vor Pilatus steht, so wie meine eigene Sünde gerade mitgeschrien hat: Wird dafür sein Leib gegeben? Ist es meine Sünde, die das tut? Weil sie mit schreit: Kreuzige ihn!? Ich erschrecke vor dem, was sie macht. Mit mir und mit ihm.
Das Geschrei wird lauter. Immer mehr meiner Sünden erheben die Stimme. Auf dem Weg nach Golgatha geraten sie regelrecht in Raserei. Immer wieder schreien sie: “Kreuzige ihn!” Kann es sein, dass sie auf seltsame Weise davon fasziniert sind, ihn leiden und bluten zu sehen, wie Gaffer bei einem Unfall?
Wieder höre ich die Worte aus dem Korintherbrief. „Das tut zu meinem Gedächtnis“, hat Jesus gesagt, als er am Abend vorher den Jüngern das Brot gereicht hat, das durch sein Wort zu seinem Leib wird. Heißt das, ich soll beim Essen an meine Sünde denken, die seinen Tod mit verschuldet hat? Das wohl auch. Aber dann kommt mir die Erinnerung an Verse aus den Psalmen, wo dieses Wort „gedenken“ steht: Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit, gedenke an deinen Eid, den du vor alters geschworen hast unserm Vater Abraham, gedenke an deinen Bund. Was ist damit gemeint?
Gedenken, liebe Schwestern und Brüder, meint in der heiligen Schrift mehr, als sich etwas in Erinnerung zu rufen. Ich denke da an das Schild auf einem Firmengelände: ‚Hier gilt die StVO.‘ Das ist natürlich die Erinnerung an das, was man in der Fahrschule mal gelernt hat. Aber es meint ja an der Einfahrt: So sind wir hier unterwegs, alle miteinander. „Solches tut zu meinem Gedächtnis“ heißt also: Nehmt Gott damit bei dem Bund, den er mit euch geschlossen hat. So ist er mit euch unterwegs, so sollt ihr mit ihm unterwegs sein. Als Sünder, für deren zum Himmel schreiende Sünde Gottes Sohn seinen Leib dahingegeben hat. Daran zu gedenken bedeutet deshalb, es sich im Glauben in Erinnerung zu rufen, dankbar anzunehmen und es damit zu bekennen, dass wir tun, wozu er uns auffordert: Nehmt es und esst!
Seinen Tod für uns verkünden wir, wenn wir uns vornehmen, zum heiligen Abendmahl zu gehen, wenn wir in der Sakristei sagen, wir wollen seinen Leib und Blut empfangen, wenn wir an den Altar treten. Ja, wir gedenken dabei an den neuen Bund, den Jesus mit uns geschlossen hat, wie wir von Paulus weiter hören:
25Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Die Sünde, die mich anklagen müsste, hat Jesus verklagt im Hof des Pilatus. Er hat das Schuldurteilauf sich genommen und sie ans Kreuz getragen.
Dort ist das Geschrei der Sünde verstummt. Seitdem wird in vielen Gemeinden im Abendmahlsteil gesprochen oder gesungen: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.
Dazu aber hören wir vom Apostel eine Ermahnung:
„Wer [aber] unwürdig von dem Brot isst oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch.“
Christen haben viel darüber nachgedacht, was mit „unwürdig“ gemeint ist. Unwürdig ist nicht, wer noch Sünde in seinem Leben hat. Denn für Sünder setzt Christus diese heilige Handlung ein. Es geht darum, ob einer
„so isst und trinkt, dass er den Leib des Herrn nicht unterscheidet. Der isst und trinkt sich selber zum Gericht.“
Unwürdig sein heißt also: nicht erkennen, dass Jesus leiblich im Brot und Wein zu uns kommt. Nicht glauben, dass er das wahrmacht, was er doch mit seinem Wort so klar sagt. Und so dazukommen, als ob sein Opfer nicht für uns alle bindend und verbindend ist. Unwürdigkeit ist Unglaube und Unbußfertigkeit.
„Der aber ist würdig und wohl geschickt,“ wie Martin Luther im Katechismus sagt, also bereit,
„wer den Glauben hat an diese Worte: für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden. Denn der hat, was sie sagen und wie sie lauten, nämlich Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit.“
Über Jesus ist an dem Tag das Schuldurteil gesprochen worden. Am Abend vorher aber hat Jesus den Jüngern gepredigt, dass das für jeden Sünder, der an ihn glaubt, zum Unschuldsurteil wird.
Lasst uns beten:
Lieber Herr Jesus Christus, wir sind es nicht wert, dass du bei uns einkehrst, doch wir brauchen deine Hilfe und Gnade. Nun kommen wir allein im Vertrauen auf dein Wort; denn du lädst uns an deinen Tisch und sagst uns zu, wir sollen Vergebung unserer Sünde haben durch deinen Leib und dein Blut, die wir essen und trinken in deinem Sakrament. Lieber Herr, dein Wort ist wahr, daran zweifeln wir nicht, und darauf essen und trinken wir. Uns geschehe nach deinem Wort. Amen.
[Angeregt z.T. von “7 Wochen mit. Andachten für die Passionszeit 2025”, hg. vom Amt für Gemeindedienst der SELK.]
(Daniel Schmidt, P.)
Predigt zum Palmsonntag, 13.4.2025
Liebe Gemeinde,
wie kommt es, dass ein Mensch auf der Straße landet? Ich glaube, es ist nicht immer die schwere Kindheit und das fehlende Elternhaus, das irgendwie nie richtig da war. Manche, die da landen, waren gut in der Schule. Der Klassenlehrer hat gesagt, aus dem oder der wird mal etwas. Und der Arbeitgeber hat sie von Anfang an für eine Beförderung im Auge gehabt. Sie waren gute Nachbarn, einige hatten Kinder. Aber dann war der Druck im Beruf zu groß und der Alkohol wurde mehr. Oder die Beziehung ging auseinander, die Wohnung war weg, dann der Job, und das Konto war leer. Irgendwann ging’s nicht mehr zurück. Schließlich fängt so jemand an, Selbstgespräche zu führen, hält sich für jemand anderen, lebt in einer eigenen Welt, weil in der Welt der anderen kein Platz mehr für ihn ist.
Was wir heute aus den Evangelien hören, ist der Bericht von einem, der ganz unten angekommen ist. Und der sich zugleich als der Messias bezeichnet. Und andere akzeptieren das. Das erinnert mich ein bisschen an einen Mann in unserem Dorf in Botswana, der mit seinem alten Fahrrad oft zu den Versammlungen im Ort kam. Daran hing ein großes Schild, “King of Kings”, König der Könige. Und irgendwie schaffte er es jedes Jahr, bei der Parlamentseröffnung in der Hauptstadt dabeizusein. Schließlich eröffnet der britische König auch jedes Jahr die neue Sitzungsperiode des Parlaments. Und er war ja der König der Könige. Die Leute im Dorf nahmen ihn nicht allzu ernst, ließen ihn aber gewähren, auch wenn sie ihm keinen Ehrenplatz gaben. Sie erzählten sich aber auch, dass da ein bisschen was dran war. Der Mann war tatsächlich entfernt verwandt mit einem der Tswana-Könige.
Wenn wir Jesus sehen, wie er in die Hauptstadt der römischen Provinz Judäa einzieht, kann man fast meinen, der lebt in seiner eigenen Welt. Und jetzt, am ersten Tag der Woche, die auf das Passahfest zuläuft, machen die anderen mit. Er zieht ein als König. Allerdings ein König von der Straße sozusagen, ohne ein Dach über dem Kopf, ohne Geld, ohne Macht, von keinem Staat der Welt anerkannt, wenn auch entfernt verwandt mit dem großen König David.
Was für eine Spannung: Er kommt als König und doch ohne alles! Und so groß ist auch die Spannung zwischen den Gefühlen bei seinem Einzug in die Hauptstadt und in den Tagen darauf; Gefühlen, wie wir sie selbst ähnlich kennen: Erwartung, Jubel, Abschied, Angst, Verzweiflung und Liebe.
Wehmut und Abschied bei ihm selbst. Und Angst, als er für sie und für sich selbst betet. Und bei den Jüngern, als er sich auf den Boden hockt und ihnen die Füße wäscht, und sie aus seinen Worten ahnen, dass er ihnen das zum Abschied tut. So, wie er es dann beim feierlichen Passahmahl sagt: er wird’s mit ihnen auf dieser Seite des Todes nicht mehr feiern.
Und schließlich Verzweiflung und Liebe, als er vom eigenen Jünger verraten wird, und dann festgenommen, verurteilt, gefoltert und ans Kreuz geschlagen. Verzweiflung und Liebe, zusammengehalten von der Angst der Jünger um ihn und um sie selbst.
Ja, liebe Schwestern und Brüder, als Triumphator, als siegreicher Held wird uns Jesus am Beginn der letzten Woche in Jerusalem nicht gezeigt. Und dass er Gott gleich ist, scheint da fast undenkbar. Ja, als er seine Wunder getan hatte, als er mit voller Autorität Gottes Wort ausgelegt hatte, da war für die Glaubenden davon etwas zu ahnen gewesen. Aber jetzt?
Er reitet auf einem Esel – dem alltäglichen, genügsamen Arbeitstier, das sich notfalls auch mit dornigen Disteln zufriedengibt; dem man überschwere Lasten auflegt und es schlägt, wenn es damit nicht mehr vorankommt: Der Messias auf einem Esel; nicht nur nahe denen, die am Boden sind, wie oft in den letzten Jahren. Sondern ganz unten angekommen, auch in seinem eigenen Leben.
Der Apostel Paulus fasst das im Philipperbrief zusammen, indem er offenbar ein ganz frühes christliches Lied zitiert. Frei wiedergegeben heißt es da:[1]
"Christus verfügte über göttliche Gestalt. Aber er hielt es nicht wie ein glückliches Los fest, dass er Gott gleich war. Er klammerte sich nicht daran, sondern legte alle Vorrechte ab und nahm die Gestalt eines versklavten Menschen an, wurde den Menschen gleich, und seine ganze Erscheinung zeigte: Er war ein Mensch wie du und ich."
Jesus Christus erscheint nicht, wir würden heute sagen, im maßgeschneiderten Anzug und mit Chauffeur und Limousine. Zwar jubeln sie ihm am Palmsonntag zu wie einem König, aber er weiß – und wir wissen es als Christen –, dass es für ihn längst bergab geht, dass nicht mehr viel fehlt, bis er “ganz unten angekommen” ist, wie wir von einem Menschen sagen, der sein Leben nicht mehr selbst in der Hand hat, der von allen verlassen ist und nur noch den Tod vor sich hat, später oder früher.
So einem jubeln die Menschen in Jerusalem zu am Palmsonntag, als ihrem Messias. Zu so einem Messias gehören wir, liebe Gemeinde. Und noch mehr: unser Verhältnis zueinander soll der Gemeinschaft mit Jesus Christus entsprechen, wie der Apostel Paulus es direkt vor diesem Lied schreibt.
Der Gemeinschaft mit was für einem Christus? Mit dem, der arm wird, schwach, gedemütigt und hilflos. Der sagt, „was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das tut ihr mir”. Solche Gemeinschaft sollen wir auch untereinander haben, indem wir unsere Mitmenschen nicht an dem messen, was sie erreicht haben oder was sie darstellen, und indem wir nicht in unserer Komfortzone bleiben. Wir sollen als Gemeinde bei den Armen und Schwachen sein, sie sollen ihren Platz hier bei uns haben. Denn unser Herr und Erlöser ist nicht in seiner Komfortzone geblieben. Sonst wäre er nur ein Möchtegernkönig irgendwann vor langer Zeit und weit weg. Sonst säße keiner von uns heute hier.
Aber er ist ja in Wahrheit ein König. So singen wir es fröhlich und dankbar am ersten Adventssonntag im Kirchenjahr, wenn das Evangelium von seinem Einzug in Jerusalem gelesen wird wie heute. So bekennt er es vor Pilatus. Und der merkt sehr wohl, was das heißt, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Er macht weder Pilatus noch dem Kaiser Tiberius in Rom oder dem voraussichtlichen neuen Bundeskanzler ab Anfang Mai Konkurrenz. Er verzichtet auf Zeichen von Luxus, von Macht und Einfluss. Ohne den Glauben würde ihn sowieso niemand als König erkennen. Aber im Glauben erkennen wir ihn eben daran, wie er bei uns ankommt. Als schwacher Mensch. Als einer, der wie ein Sünder zu uns sündigen Menschen kommt – sie hängen ihm ja Gotteslästerung an, und dass einer Gott lästert, ist wie die Zusammenfassung aller Sünden. Er kommt als sterblicher Mensch zu uns sterblichen Menschen. Nicht nur, weil er bei uns sein will. Sondern weil er so unseren Platz einnimmt.
Daran aber erkennen wir, dass er ein wahrer König ist. Der nicht den Tod des Sünders will, sondern dass er lebe. Der deshalb selbst für sein Volk in den Kampf gegen den bösen Feind zieht. Und damit das erste Gebot wahr macht, in dem er klarmacht, warum wir keinen anderen Gott haben oder anrufen sollen. Denn “Ich bin der Herr, dein Erlöser”, sagt er. Es gibt keinen anderen außer ihm. Und keinen anderen Weg, uns zu erlösen als ganz unten durch.
In seinem Namen hat der Prophet Jesaja schon lange vorher geweissagt und gesagt:
Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum habe ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde. (Jes. 50,4b-9)
Da ist es, beides: Dass er den Weg ganz nach unten geht, und dass Gott der Vater dem, der arm ist, hilft. Der Prophet aber drückt es noch stärker aus. “Ich bin nicht ungehorsam” heißt es da. Jesus geht diesen Weg im Gehorsam. Das aber ist das reinste Evangelium für uns.
Denn “gehorsam” im biblischen Sinne ist der, der das Gesetz Gottes erfüllt, angefangen mit dem ersten Gebot. Der nichts und niemanden mehr liebt oder achtet oder fürchtet als den lebendigen Gott. Der seinen Mitmenschen liebt wie sich selbst. Der so lebt in Taten, Worten und bis in die Gedanken hinein.
So einen Menschen, liebe Gemeinde gibt es nicht. Außer dem menschgewordenen Sohn Gottes. Der wie ein Jünger auf Gott hört und tut, was er sagt. Sein Gehorsam aber führt ihn nach ganz unten. Denn das Gesetz sagt, wer es nicht ganz hält, der erntet den Tod. Den leiblichen Tod und den ewigen, die endlose Trennung von Gott. Da muss Christus durch, der sich für dich und mich zur Sünde machen lässt. Damit aber erfüllt er das, was das Gesetz fordert. Nicht für sich selbst tut er das, sondern für dich und mich. Darum dreht er denen den Rücken hin, die ihn mit der Geißel so brutal schlagen, und seine Wangen denen, die ihn klatschend ohrfeigen; darum lässt er sich ins Gesicht spucken wie einer, der solche Dinge getan hat, dass man ihn nur noch als Abschaum bezeichnen kann.
Aber er weiß, dass er nicht zuschanden wird. Der Weg nach ganz unten ist der Weg zum Sieg. Der Evangelist Johannes erzählt vom Kreuz Jesu so, dass deutlich wird: Das ist sein Thron. Die Spott-Tafel über seinem Kopf, auf der steht, “Jesus von Nazareth, König der Juden” wird zur Proklamation: dieser wird zum König der Könige, indem er für alle Menschen in den Krieg mit dem bösen Feind zieht und ihn mit seinem letzten Atemzug besiegt. “Der Menschensohn muss erhöht werden,” sagt Jesus in der Nacht zu Nikodemus, ”auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben” (Joh. 3,14).
Gott sei Dank, dass Christus nicht ungehorsam geworden ist. Das ist unsere Hoffnung, wenn’s mit uns nach unten geht im Leben. Denn Gott lässt sich zu dem herab, der arm ist. Und um Christi willen müssen wir nicht mehr ganz unten durch, durch die Gottesferne und die Hölle. Da ist er durchgegangen.
So verstehe ich’s, wenn Jesaja in seinem Namen an derselben Stelle sagt, einen Satz vorher: “Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden.” (Jesaja 50,4a) Da ist sie noch einmal, die ganze frohe Botschaft. Denn was auch immer dich müde macht, was dich runterzieht, er sagt dir: Für dich bin ich da schon durchgegangen. Das soll und darf dich nicht mehr schrecken. Denn ich habe ihm die Macht genommen. Ich bin der Herr, dein Erlöser. Und im Glauben sehen wir ihn, wie er auf dem Esel kommt, und sagen: Gelobt sei, der da kommt, der Sohn Davids, unser König auf dem Esel. So hilf auch uns, Herr, hosianna! Amen.
(Daniel Schmidt, P.)
[1] Wiedergabe z.T. angelehnt an die sogenannte “Übersetzung in gerechter Sprache”.
Predigt zum 16.3.2025, Sonntag Reminiszere
Predigt zu Römer 5,1-11
Sonntag Reminiszere, 16.3.2025, ForYou „Time Out“
Immanuelsgemeinde Groß Oesingen, 16.3.2025, 9:30 h
Lesung: Römer 5,1-5 (= Epistel 1. Teil)
Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
“Time Out”, so lautet die Überschrift, unter der wir den Ablauf dieses Gottes-dienstes geplant haben, wörtlich “Auszeit”. Das kommt eigentlich aus dem Sport. Im amerikanischen Baseball oder im Basketball können Spieler, Trainer oder der Schiedsrichter ein “Timeout” erklären. Das Zeichen dafür ist dieses hier [aus beiden ausgestreckten Handflächen ein T formen]. Damit wird das Spiel an¬gehalten, etwa wenn der Trainer seiner Mannschaft eine neue Strategie mitgeben will oder wenn ein Spieler verletzt ist. So eine kleine Auszeit war im ersten Anspiel die gemeinsame Tasse Tee oder Kaffee, und im zweiten der ungeplante Moment in der stillen Kirche.
Bei unseren Kindern in der Schule gab’s das auch als kleine Erziehungsma߬nahme, wenn es nötig war, ein Kind aus der Gruppe herauszunehmen: Setz dich zur Seite, komm runter, und wenn du bereit bist, wieder nach den Regeln zu spielen, dann kannst du wieder mitmachen.
‘Sich eine Auszeit nehmen’ ist aber inzwischen auch so etwas wie ein Lebens¬modell geworden. Während unserer Zeit in Botswana stand eines Abends ein junges Paar vor dem Zauntor. Die waren mit ihren Fahrrädern auf dem Weg von Holland nach Peking (offenbar lag das südliche Afrika dabei für sie am Weg) und fragten, ob sie bei uns übernachten konnten. Der Mann hatte das schon mehrmals gemacht – immer solange gearbeitet, bis er wieder genug Geld beisammen hatte, und sich dann eine solche Auszeit genommen.
Aber passt das Wort ‘Auszeit zu unserem Leben als Christen? Ist Christsein nicht unsere Existenz, sind wir das nicht ebenso wie unser Herz ununter-brochen pumpt? Wenn du dich aufmachen würdest, als Einhandsegler die Welt zu umrunden, oder deinen Job und dein Haus hier zurücklassen und den ganzen Sommer als Senn oder Sennerin auf einer Alm in den Alpen verbringen würdest – wenn du so den Alltag zurücklassen würdest mit seinen Bindungen, dem gewohnten Trott, den Erwartungen, die andere an dich haben und du selbst: wärst du dann nicht im Boot oder in der Almhütte auch Christ?
Das wären wir auf jeden Fall. Unsere Verbindung mit Gott ist ja eine Vater-Kind-Beziehung. Ja, noch mehr, sie ist ja wie die Verbindung eines unge-borenen Kindes mit seiner Mutter, das durch die Nabelschnur alles bekommt, was es zum Leben braucht an Nahrung und Sauerstoff. Dass jemand aus den gewohnten Bindungen mal raus will, kann man manchmal verstehen. Aber die Bindung an unseren Gott ist ja eine Lebens-Verbindung, die unsere Existenz ausmacht. Wenn wir die hinter uns lassen würden, würden wir ja unseren Glauben, unser ewiges Leben aufgeben.
Und doch hören wir im Evangelium von Auszeiten, die sich Jesus genommen hat. Wenn die Menschen ihn zu sehr bedrängt haben mit ihren kranken Angehörigen, wenn er den ganzen Tag gepredigt und gelehrt hat, dann zieht er sich in der Nacht zurück, um Zeit allein mit seinem Vater zu haben. Und sagt das auch seinen Jüngern: kommt raus an die Seite und ruht ein bisschen aus (Mk 6,31). Vor allem aber sucht er diese Aus-Zeit, als er weiß, dass seine “Stunde” gekommen ist; die Stunde der Finsternis, in der Gott zulässt, dass der Feind seine furchtbare Macht entfaltet. Da ringt der Sohn Gottes im Gebet vorher nicht mit dem Feind, sondern mit seinem Vater. Und es ist so ein schweres Ringen, dass er seine Jünger dazu braucht. Aber sie sind erschöpft. Körperlich erschöpft von den letzten Tagen, vielleicht aber vor allem von der Angst, die seit Tagen und Wochen über ihnen hängt. Sie werden vom Schlaf überwältigt.
Damit wird es wahr, dass Gottes Sohn sein Werk allein tun muss, dass kein Mensch etwas dazu beitragen kann; ja, dass alles, was Menschen in dem Moment tun, nur dazu dient, dass das Böse seinen Lauf nimmt.
Christus aber ringt nicht darum, vom Vater loszukommen, aus der Bindung an ihn auszusteigen, das Sohn-Gottes-Sein hinter sich zu lassen. Das hätte der Feind wohl gerne. Christus ringt mit dem göttlichen Muss, das wir immer wieder in der heiligen Schrift finden, und das er den Jüngern dreimal vorher angekündigt hat: Der Menschensohn muss verraten und in die Hände der Feinde überantwortet werden und sterben und nach drei Tagen auferstehen. Es ist der Tod, der ihm Angst macht, die letzte Gottverlassenheit.
Aber gerade deshalb braucht er diese Aus-Zeit. Und er betet sich damit in diesem entscheidenden Moment ganz hinein in Gottes Willen. Und – so berichtet es der Evangelist Lukas – ein Engel vom Himmel kommt und stärkt ihn (Lukas 22,43).
Aber weil unser Herr in dieser Auszeit das tiefste Vertrauen zu seinem Vater neu geschöpft hat und damit neue Kraft und neuen Gehorsam, atmet auch der Abschnitt aus dem Brief an die Gemeinde in Rom etwas davon, den wir gerade gehört haben. Wir sind gerecht geworden durch den Glauben – gerecht gespro¬chen durch unseren Erlöser, der die Strafe für unsere Sünde getragen hat. So haben wir Frieden mit Gott. Hörst du das Aufatmen in diesem Wort “Frieden”? Kein Verstecken mehr vor Gott, keine Angst mehr vor Strafe, aber auch kein unper¬sönliches Verhältnis mehr, als könnte ein Mensch neben Gott her leben, obwohl wir doch alle die Luft atmen, die er geschaffen hat. Frieden mit Gott: So erleben es Christen immer wieder, wenn sie sich tagsüber in eine der offenen Kirchen in den großen Städten setzen, oder zuhause in einem stillen Moment auf die Küchenbank, ihm ihr Herz ausschütten, ihre Schuld bekennen und sagen: Das alles ist mir leid, ich bitte dich, vergib mir. So erleben sie’s, wenn sie die Sorgen, die im Kopf und im Herzen im Kreis herumlaufen, in seiner Gegenwart aussprechen: Ich bitte dich, gib mir Frieden.
Das ist eine Auszeit, ein Aufatmen, weil Gott uns damit von der Macht dieser Dinge losbindet. Wir laufen nicht vor ihnen weg, wir werden frei davon. Und steigen auch nicht aus allen alltäglichen Dingen, Aufgaben und Verpflichtungen aus, aus den Beziehungen auf der Arbeit, in der Familie und Nachbarschaft, aber wir werden frei in ihnen. Frei, weil Gott der einzige ist, der einen Anspruch auf unser ganzes Leben hat. Weil wir ihm in all dem vertrauen können.
Und dann sagt Paulus: Wir, also ‘wir Christen’, rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit. Das ist keine Vertröstung auf eine bessere Zukunft, die wir uns erträumen. Sondern eine Gewissheit, die schon jetzt so etwas ist wie eine Zuflucht, ein Ort der Geborgenheit in aller Bedrängnis. Manche Klebstoffe brauchen ja beim Verkleben einen hohen Druck. Je höher der Druck, desto fester halten die beiden Teile danach zusammen. Was den Sohn Gottes unter Druck gesetzt hat, das hat ihn umso mehr mit dem Vater verbunden. Was uns drückt und unter Druck setzt, ist ein Zeichen dafür, dass wir mit ihm zusammengehören. Und es verbindet uns umso mehr mit ihm, denn so erleben wir es, dass seine Kraft entscheidend ist, nicht unsere. So lernen wir, wie Paulus schreibt, “dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausge¬gossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.”
Aus dem Trott der Woche am Sonntag heraustreten, aus dem Trott des Alltags in einer kleinen Auszeit, gerade jetzt in der Zeit, in der wir uns mit dem Sohn Gottes auf seinen Weg nach Gethsemane und Golgatha machen – das ist eine Auszeit zum Nachfüllen, in der Gott seine Liebe neu in unsere Herzen gießt durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. Amen, so sei es.
Lesung: Römer 5,6-11 (= Epistel 2. Teil)
Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen wagt er vielleicht sein Leben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Um wieviel mehr werden wir nun durch ihn bewahrt werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind! Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wieviel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unsern Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt die Versöhnung empfangen haben.
Ist es nicht das, liebe Gemeinde, was wir uns eigentlich wünschen, wenn wir an eine Auszeit denken: mit der Welt und mit uns selbst ins Reine zu kommen? Ist das nicht die Erfahrung, die wir machen, wenn wir uns geliebt wissen? Da finden nicht alle Fragen eine Antwort, nicht alle Probleme sind gelöst, aber wir erleben, dass wir angenommen sind, wie wir sind, und lernen die Welt so anzunehmen, wie sie ist, auch unsere Umwelt so wie sie eben “menschelt”.
Wir täuschen uns nur, wenn wir meinen, da kommen wir hin auf dem Weg über uns selbst. Mein Ich ist ja durchaus nicht ganz unkompliziert, und wenn ich mit etwas nicht fertig werde, dann liegt’s ja irgendwie auch an mir selbst. Und wir können uns gar nicht von allen Bindungen frei machen. Auch der Einhandsegler weiß, dass sein Körper etwas zu essen und zu trinken fordert und seinen Schlaf.
Wir kommen mit uns selbst und mit der Welt ins Reine, wenn Gott es mit uns ins Reine bringt. Wenn er uns rein macht. Das Erstaunliche aber ist, er hat es schon getan; getan, als wir noch gar nicht in der Lage waren, so zu leben, wie er es von uns erwartet; obwohl das doch unter uns Menschen die Voraussetzung ist für jede Freundschaft. Gott aber hat sich zu unserem Freund gemacht, als wir noch ohne ihn unterwegs waren. Wenn er das nicht getan hätte, wären wir weiter auf dem Weg, der in unser Verderben führt, uns selbst überlassen und unfähig, aus der Bindung an das Böse und an die Vergänglichkeit auszusteigen.
Ja, Gott hat uns solche Freundschaft erwiesen, dass er seinen Sohn an unserer Stelle hat sterben lassen. Was für eine unverdiente Liebe! Das ist das Größte, was ein Mensch in diesem Leben finden kann!
Von diesem Größten aber schließt der Apostel auf das andere, das dann gar nicht anders sein kann:
“Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wieviel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind!”
Selig werden heißt, es wird ein gutes Ende mit uns nehmen, ein Ende hier, das der Anfang dort sein wird. Dazu wird er alles tun und tut alles jeden Tag, was auch immer dir und mir zusetzt an Sorge und Angst und Ungewissheit und Schuld und schlechtem Gewissen und Kleinglaube und Mutlosigkeit. Denn wir sind durch Christus versöhnt mit ihm. Wir gehören auf seine Seite. Und das heißt: er ist auf unserer Seite in alledem.
So sehr wir uns freuen können, wenn jemand die Möglichkeit hat, eine Auszeit zu nehmen, eine körperliche oder seelische “Reha” sozusagen: Christus lädt uns jeden Tag zu einer Auszeit mit ihm ein, dass wir’s erleben: seine Liebe macht frei, und wer mit ihm versöhnt ist, kann sich auch mit Menschen versöhnen und, in etwas anderer Bedeutung des Wortes, auch mit der Situation, in der er lebt. Denn seine Liebe füllt das Herz mit einem Frieden, der höher ist als alle Vernunft. + Amen.
(Daniel Schmidt, P.)